Mittwoch ist wie Weihnachten. Ruhetag im Restaurant – Bescherung in der Küche: Die frische Ware kommt im Viertelstundentakt. Und alle packen aus. „Guck Dir diese Pilze an!“ Anthony Sarpong nimmt eine Handvoll. Ganz vorsichtig. Betrachtet sie liebevoll von allen Seiten. Führt sie zur Nase. Schließt die Augen. Atmet tief ein.
Der nächste Bote steht schon in der Tür. Mit einem großen Karton. Express aus Amsterdam. Ausgelegt mit gold-glänzender Folie. Darin viele kleine Schachteln. Sie beschützen filigrane, bunte Blüten. Offenbar ein besonderes ‚Geschenk‘: Gleich drei Köche begutachten die zarte Vielfalt. Reiben vorsichtig an einigen Blättern, kauen auf hellgrünen Stängeln, tauschen sich aus. Große Begeisterung. Der Chef schaut zur Uhr: „Die wurden heute früh um vier verpackt – und was haben wir jetzt? 14 Uhr. Perfekt!“
Anthony’s Kitchen in Meerbusch bei Düsseldorf. „Auf den Punkt gebrachter Geschmack“, urteilt der Guide Michelin. Belohnt die „Küche voller Finesse“ mit einem Stern. Und die Branche orakelt: Vielleicht gibt’s bald den zweiten… Der Chef startet gerade richtig durch: Anthony Sarpong, geboren in Ghana, aufgewachsen in Wiesbaden, verheiratet, drei Kinder. „Zuhause habe ich also schon drei Sterne!“, lacht der 37-jährige.
„Ich komme ja aus einer sehr großen Familie. Und wenn es Essen gab, dann waren wirklich alle still“, erzählt der Spitzenkoch. „Denn egal, was meine Oma, meine Mutter oder meine Tanten gekocht haben – bei uns kochen ja traditionell nur die Frauen – es war sensationell. Es war wirklich sensationell! Und ich fand ihre Rezepte immer so interessant. Oma, Mutter, Tanten – sie waren meine Inspiration. Damals als Kind fand ich das Kochen schon spannend. Und meine Oma sagt mir heute noch: ich wusste, dass Du mal Koch wirst! “
Inspiration und Leidenschaft. Zeigen sich auch bei den Blüten aus Amsterdam. Den Lieferanten hat Küchenchef Leonardo entdeckt. Auf Instagram. Anthony nahm sofort Kontakt auf. „Er meinte, er beliefere keine Gastronomen. Da habe ich gesagt: Das ist so unfassbar, was Du machst, wir hätten es so gerne. Aber er blieb hart: Das sei unmöglich und viel zu teuer. Ich hab’ geantwortet: Bitte – das ist egal! Ich möchte es unbedingt haben. Und es hat geklappt. Und jetzt sind wir tatsächlich das einzige Restaurant, das er beliefert!“
Die Blüten wandern in die Kühlung. Aus versteckten Lautsprechern klingt leise Lounge-Musik. In der Küche wird jetzt konzentriert gearbeitet. Vorbereitungen für das aktuelle Menü. Was genau in Anthony’s Kitchen serviert wird, verrät der Chef nicht. Die Konkurrenz würde das zu gerne wissen. Auch im Internet nur eine Prise Informationen. Über einzelne Zutaten. Der Rest ist Überraschung. Die Gäste stört das nicht. Wer einen Tisch möchte, muss Monate im voraus reservieren.
Am wuchtigen Küchenblock steht Edgar. Er putzt die Pilze. Ganz vorsichtig. Mit einem kleinen Messer und einer weichen Bürste. Steinpilze, Pfifferlinge, Enoki, Kräutersaibling, Shimeji. „Die sind für unser Pilz-Risotto“, erklärt Anthony. „Überhaupt: Risotto ist eines unserer Lieblingsgerichte. Wir kochen es gerne auch als Personalessen. Und viele Fußballspieler, die hierher kommen, wollen immer Risotto.“
Pilz-Risotto nach Anthony Sarpong
Zutaten
- 1 Handvoll Risotto-Reis pro Person
- 2 Schalotten
- 300 ml Weißwein
- 30 g Butter pro Person
- 30 g Olivenöl pro Person
- Brühe - je nach Konsistenz des Risottos
Anleitungen
-
Risotto, Butter, Olivenöl mit feinen Schalotten & Knoblauch in den Risotto Top
-
Bei starker Hitze so lange rühren bis es aufschäumt und die Reiskörner Farbe ziehen
-
Mit Weißwein ablöschen und cremig rühren
-
Heiße Brühe unterheben . Temperatur ist sehr wichtig, damit der Kochprozeß nicht unterbrochen wird
-
Zwischendurch gegen Ende der Zeit geriebenen, gereiften Parmesan ( min 24.Monate ) unterheben
-
Der Wecker klingelt nach17min
-
Gebratene Pilze - je nach Geschmack - auf dem Risotto verteilen
Rezept-Anmerkungen
Wer eine Pilzbrühe zubereiten möchte, findet hier Antony's Rezept für 2 -3 Liter:
Je nach Geschmack Suppengrün mit Lauch, Möhren, Sellerie und Petersilie verwenden
So viel Olivenöl in den Topf geben, dass der Boden bedeckt ist. Zwiebeln mit Schale halbieren und flach auf das Öl legen. Karotten, Pilze und das Suppengrün putzen und mit hinein geben. Je nach Art der Suppe: vermehrt Pilze oder Tomaten mit Tomatenmark oder Curry verwenden. Einen Spritzer Agavensirup zugeben. Salzen und pfeffern. Anheizen und mit Wasser ablöschen. Die Einlage gut durchkochen - das geht auch im Schnellkochtopf...
Das Sterne-Restaurant ist längst eine Institution im Rheinland. Die Gäste kommen aus der ganzen Welt. Weil Anthony Sarpong anders ist und anders kocht. „Ich bin um die halbe Welt gereist, habe so viele Küchen gesehen. Und nicht nur Sterneküchen. Ich war in ganz normalen Restaurants. Auch in Krankenhäusern und Kantinen, habe die Vielfalt der Küchen gesehen. Das war mir so wichtig. Ich hab auch schon auf der Strasse gekocht. Ganz einfache Gerichte. Und diese Vielfalt, die meinen ganzen Lebenslauf prägt, ist so entscheidend, glaube ich.“
Anthony nimmt eine große Schalotte. Und ein extrem scharfes Messer. Zerlegt die Zwiebel in winzige, feine Würfel. In wenigen Sekunden. „Eine Zwiebel schön zu schneiden hat etwas mit Respekt zu tun. Ich habe Respekt vor allen Lebensmitteln. Es sind eben Lebens-Mittel. Und die haben einen hohen Stellenwert bei mir. Das ist eine Botschaft, die ich rüberbringen möchte. Und daraus ergibt sich auch die Art und Weise, wie ich Fisch, Fleisch oder Gemüse anfasse.“
Aus den Schalen und Pilzresten hat Edgar einen Fond gekocht. Zusätzliches Aroma fürs Risotto. Butter und Olivenöl schäumen schon im Wok. Anthony gibt Reis dazu, Knoblauch und die Schalottenstückchen. Wie ein Magier streut er Salz in die brodelnde Pfanne. „Das ist toll, wie Du Leute abholen kannst, mit ganz einfachen Dingen.“ Er rührt das Risotto locker aus dem Handgelenk. „Es kommt auf das eine, gute Produkt an. Und dann ist die Kombination entscheidend. Ansonsten ist es bei uns nicht anders als bei Dir zuhause.“
Uns – das sind die 25 Menschen in Anthonys Kitchen: Küche, Service, Sommelier. Sie kommen aus 14 Ländern, unterhalten sich in 7 Sprachen. „Wir machen das hier alle aus Überzeugung. Aus Leidenschaft. Die Liebe zu dem, was wir hier tun, ist das größte Geheimnis. Zu den Lebensmitteln, die wir verarbeiten. Aber auch der Respekt füreinander. Mein Team hat den höchsten Stellenwert für mich. Jeder einzelne. Guck mal, der Michael putzt die Maschine, als wenn es sein letzter Arbeitstag wäre…“
Es duftet nach warmer Schokolade. Küchenchef Leonardo schmilzt schwarze Schoko-Tropfen für edle Dessert-Pralinen. „Leo ist absolut begnadet!“ Anthony schaut zu ihm hinüber und rührt weiter das Pilz-Risotto. „Ich habe selten so einen Koch erlebt. Alles was er macht ist großartig. Leo schreibt mir sein Menü auf und ich kann es in meinem Kopf zusammenbringen. Den Geschmack. Den Geruch. Die Farben. Und sogar den Teller. Ich kann das Gericht in meinem Kopf komplett umsetzen. Dann ist alles klar!“
Leonardo bereitet schon den nächsten Gang vor: Cheesecake-Cassis-Creme mit Kakao-Crumble und pinkfarbenem Biskuit vom lila Mais, dazu gerösteten Mais-Sirup und Cassis-Gel. Unfassbar aufwändig. Unglaublich lecker. Und wunderschön anzusehen. „Wer zu uns kommt, kommt nicht in ein normales Restaurant“, erklärt Anthony Sarpong. „Das ist mir wichtig. Wir sind eher ein Erlebnis-Restaurant. Der Gast, der zu uns kommt, geht auf eine Reise. Und die fängt vorne bei der Begrüßung an. Und hört erst nach dem Essen auf.“
In Anthonys Wok zischt es leise. Gerade hat er noch etwas Weißwein aufgeschüttet. Und rührt weiter. „Bei Risotto ist es wichtig, immer wieder die Konsistenz zu prüfen. Und Du musst rühren, rühren, rühren. Und immer wieder den Fond angießen. Bis das Risotto schön schmelzig wird.“ Zum Schluss kommt noch Parmesan dazu. Dann richtet Leonardo das Risotto an. In einer rustikalen Steinschale. Darauf die frischen Pilze. Stück für Stück mit der Pinzette. Obendrauf natürlich ein paar frische Blüten und Stängel aus Amsterdam.
Man spürt die Begeisterung in dieser Küche. Und gute Stimmung. Trotz aller Konzentration wird in Anthonys Kitchen viel gelacht. Und ständig untereinander kommuniziert. Im Hintergrund bereitet Sommelier Michael eine Weinprobe vor. Welche Weine passen am besten zum neuen Menü? Welche werden in die Karte aufgenommen? Michael öffnet drei weiße und zwei Rote. Anthony, Leonardo, Restaurantchefin und Barfrau setzen sich mit an den Tisch. Alle probieren, diskutieren und sind sich schnell einig: zwei Weine haben die Prüfung bestanden.
Bescherung beendet. Noch ein bisschen aufräumen. Einen Kaffee trinken. Eine kleine Praline essen. Dann verabschieden sich die Kollegen voneinander. Feierabend am Ruhetag. Morgen kommen wieder Gäste. Und die sind für Anthony auch immer wieder ein ganz besonderes Geschenk: „Ich liebe diese glücklichen Gesichter. Wenn Leute bei mir sitzen und Du siehst sie genießen, dieses Mmmh… Und dann fragen sie: Was ist da drin? Das ist toll!“
Ganz herzlichen Dank an Anthony Sarpong und sein zauberhaftes Team für diesen wunderbaren und ereignisreichen Tag in Meerbusch!ღ
Wenn Du Lust hast, schau Dich gerne auch ein bißchen bei Alfons Schuhbeck in München um. Begleite uns zu Tony Hohlfeld nach Hannover. Oder zu Sternekoch Oliver Heilmeyer nach Berlin.
Ich wünsche Dir einen ganz schönen Nachmittag!
Bettina